Das Thema Windkraft polarisiert. Zu Unrecht, wie die Akteure der IG Hegauwind meinen, zu der auch unsere Genossenschaft gehört. Denn auch fünf Jahre nach Fukushima steht die Mehrheit der Bevölkerung fest hinter dem Atomausstieg. Auch um die ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen, ist es notwendig, auf sämtliche regenerativen Ressourcen zurückzugreifen. Dass sich unserer Region dabei nicht ausklammern darf, ist die Meinung vieler Bürger und die Motivation der Mitglieder der IG Hegauwind.
Die Gegener der Windkraft im Hegau, die sich in einem „Forum Hegau-Bodensee” zusammengeschlossen haben, haben in ihrem Dossier vom 16.2.2016 schwere Vorwürfe gegen die IG Hegauwind formuliert und öffentlich verbreitet. Um diesen angeblichen Fakten zu begegnen, haben wir nachfolgende Stellungnahme verfasst:
In der durchaus kontroversen Diskussion zu Windkraftanlagen in der Hegau-/Bodenseeregion beginnt inzwischen eine skurrile Verdrehung der Rollen. Unter dem klangvollen Namen „Forum Erneuerbare Energien Hegau-Bodensee“ tritt ein Zusammenschluss von Laien auf, der in der Region bisher keinerlei Projekte zur Nutzung von heimischen erneuerbaren Energien realisiert hat. Davon gänzlich unberührt beanspruchen einige der darin versammelten Personen dennoch einen Expertenstatus und meinen die Akteure der IG Hegauwind belehren zu müssen.
In der IG Hegauwind haben sich zahlreiche Stadt- und Gemeindewerke der Region zusammen geschlossen, um an geeigneten Standorten gemeinsam Windenergieanlagen zu bauen und zu betreiben. Diese Unternehmen versorgen seit Jahrzehnten Hundertausende von Kunden mit Strom, Gas, Wasser und Energiedienstleistungen, generieren in Summe mehrere Hundert Millionen Euro an Jahresumsatz und verfügen damit nachweislich in der gelebten Praxis über einen erheblichen energiewirtschaftlichen Sachverstand, auch im Bereich der erneuerbaren Energien.
Über ein breit angelegten Verteiler an die politischen Vertreter des Lkr. Konstanz wurde ein sogenannter Faktencheck versandt, der im folgenden kommentiert wird.
Faktencheck 1:
Es ist richtig, dass die Windhöffigkeit der wichtigste Eingangsparameter für die Wirtschaftlichkeit von Windkraftprojekten ist. Daneben spielen aber auch die sogenannten weichen Kosten eine wichtige Rolle: Kosten der Zuwegung und Netzanbindung, Projektierungskosten, Höhe der Pacht, u.v.m. Ausschließlich auf Basis der Windhöffigkeit kann ein Standort nicht bewertet werden.
Es ist richtig, dass es Standorte in Baden-Württemberg gibt, die bei Windmessungen schlechtere Ergebnisse lieferten, als zunächst angenommen.
Es ist richtig, dass der Windatlas BW nur einen ersten Hinweis gibt, wo Windmessungen Sinn machen könnten. Er war das Ergebnis von aufwendigen Computersimulationen, die mit den Ergebnissen von existierenden Windkraftanlagen abgeglichen wurde. Eine Computersimulation kann aus nachvollziehbaren Gründen die Realität nicht exakt abbilden. In der Praxis haben die Windmessungen in BW an manchen Standorten bessere, an anderen Standorten schlechterer Werte als im Windatlas ergeben.
Das Vorgenannte ist allen seriösen Projektierern bewusst, gerade deshalb werden Windmessungen durchgeführt. Auch die IG Hegauwind hat in einer aufwändigen Messkampagne die Windverhältnisse im Lkr. Konstanz ermittelt.
Es ist falsch, dass der Standort Rohrdorf oberhalb Meßkirch einer der besten Standorte in der weiteren Umgebung ist. Vielmehr ist schon auf Grundlage des Windatlas BW zu erkennen, dass er ein bestenfalls mittelguter Standort ist. Windmessungen von solarcomplex direkt am Standort (nicht am Sendemast) ergaben eine mittlere Windgeschwindigkeit von rd. 5,3 m/s. Daraufhin hat solarcomplex das Projekt nichtweiter verfolgt.
Faktencheck 2 und 3:
Es ist richtig, dass die Technische Richtlinie TR6, Rev. 9 den derzeit besten Standard darstellt und „ein wesentliches Kriterium zur Akzeptanz einer Energieertragsermittlung bei Banken und Investoren ist“.
So ist die IG Hegauwind vorgegangen.
Faktencheck 4 bis 6:
Es ist richtig, dass es bundesweit etliche Windkraftprojekte gibt, bei denen die prognostizierten Erträge und Ausschüttungen nicht erreicht wurden. Oft war dies der Fall, wenn Windkraftprojekte vom Projektierer nur entwickelt und dann weiter verkauft wurden. Die Prognosen waren schlicht zu optimistisch oder es wurden keine Windmessungen durchgeführt. Heutzutage ist es bei allen seriösen Projektentwicklern Standard, Windgutachten nur auf Grundlage von Windmessungen erstellen zu lassen.
Im Falle der IG Hegauwind haben alle 11 Akteure inkl. des Projektierers solarcomplex die Betreibergesellschaft für den Standort Verenafohren gegründet und das jeweilige Eigenkapital zu je einem 11tel eingelegt. Insoweit hat kein Gesellschafter ein Interesse daran, Projekte schönzurechnen.
Es ist richtig, dass von den bestehenden Windkraftanlagen in Baden-Württemberg viele schlecht laufen. Diese Feststellung hilft wenig, weil das ganz überwiegend alte Anlagen mit niedrigen Nabenhöhen (meist 40 – 60 m) und kleinen Rotordurchmessern (bis max. 60 m) sind. Tatsächlich kommt das Gros dieser in BW betriebenen Windkraftanlagen nur auf +/- 1.000 sogenannte Vollbenutzungsstunden. Die wenigen neuen Anlagen (Inbetriebnahme in den vergangenen drei Jahren, Nabenhöhe mind. 100 m und Rotordurchmesser mind. 80 m) laufen vergleichsweise gut, erreichen die prognostizierten Erträge und liefern Vollbenutzungsstunden von um die 2.000, zum Teil darüber. Dies ist überprüfbar, da die Betriebsdaten oft frei zugänglich sind, z.B.: www.windpark-grosser-wald.de/betriebsdaten/betriebsdaten_aktuell.html
Insoweit ist der Nachweis erbracht, dass moderne (!) Windkraftanlagen in BW sehr wohl auf die genannten Vollbenutzungsstunden kommen. Heutzutage werden in BW nur noch solche Anlagen gebaut und eine Diskussion kann sich sinnvoll auch nur auf diese beziehen.
Bei dieser Gelegenheit sei darauf hingewiesen, dass Vollbenutzungsstunden nicht mit Betriebsstunden gleichzusetzen sind. Vollbenutzungsstunden sind ein rein statistischer Wert: Erzeugter Jahresenergieertrag durch installierte Leistung = Vollbenutzungsstunden. Diese Zahl sagt also aus, wieviel Stunden wäre die Windkraftanlage gelaufen, wenn sie immer mit der Nennleistung gelaufen wäre. Aber eine Windkraftanlage läuft eben gerade die meiste Zeit nicht mit der vollen Leistung, sondern mit Teillast. Die Betriebsstunden sind hingegen diejenigen Stunden, in denen eine Windkraftanlage tatsächlich Strom erzeugt hat, das sind bei fast allen Anlagen nachweislich über 7.000 Stunden pro Jahr (bei 8.760 Jahresstunden).
Faktencheck 7:
Es ist falsch, dass es von vorneherein unsinnig sei, in der Region Hegau-Bodensee Windparks zu bauen. Richtig ist, dass hier wie an allen anderen Standorten eine sorgfältige Untersuchung notwendig ist. Diese hat stattgefunden.
Es ist definitiv falsch, dass die Entscheidung von Kommunen und Stadtwerken zur Beteiligung an der IG Hegauwind „mit mutmaßlich geschönten Aussagen und suspekten Gutachten“ zustande kam.
An der IG Hegauwind sind neben dem „unbedeutenden, lokalen Projektierer solarcomplex AG“ etliche Stadtwerke, darunter auch die bundesweit tätige Thüga und als Gesellschafterin der Stadtwerke Stockach die EnBW beteiligt.
Faktencheck 8:
Es ist gerade zu haarsträubend und grob unwissenschaftlich, wenn private Messungen in Hohenfels (15 km entfernt) und auf wenigen Metern über Grund als Ausgangslage für Einschätzungen des Standorts Kirnberg auf 100 bis 200 m Höhe über Grund herangezogen werden. Dies steht auch im eklatanten Widerspruch zu den von der BI selbst eingeforderten Qualitätsstandards der TR6, Rev. 9 (Siehe Faktencheck 1–3) und offenbart die Substanzlosigkeit der selbst ernannten Experten.
Faktencheck 9:
Richtig ist, dass die IG Hegauwind einstimmig beschlossen hat, über die bereits vorgelegten Informationen hinaus, keine weiteren zur Verfügung zu stellen. Die Gründe sind bekannt.
Faktencheck 10:
Die Zusammensetzung der IG Hegauwind als breiter Schulterschluss der energiewirtschaftlichen Akteure der Region ist zutreffend wiedergegeben.
Faktencheck 11:
Es ist richtig dass zwei unabhängige Windgutachten für den Standort Verenafohren vorliegen, vom TÜV Süd und der Deutschen Windguard, beides akkreditierte Windgutachter.
Faktencheck 12:
Das Messkonzept für die Windkraftstandorte im Lkr. Konstanz wurde vor Beginn mit dem TÜV Süd abgesprochen. Der TÜV Süd ist ein akkreditierter Gutachter: DIN EN ISO/IEC 17025/2005, Akkreditierungsnr.: D-PL-14153-02
solarcomplex hat im Auftrag der IG Hegauwind mit zwei 100-m-Messmasten am „Schienerberg“ und an der „Stettener Höhe“ für über ein Jahr gemessen. Parallel dazu wurden an sechs Standorten Lidar-Messungen für jeweils rund 4 Monate durchgeführt. Aus der Gesamtschau erhalten die Gutachter für jeden Einzelstandort wichtige Zusatzinformationen, die weit über die Aussagekraft der Einzelmessungen hinaus gehen.
Die Rohdaten werden von den Geräten erfasst und an den Gutachter übermittelt. Sie lassen sich vom Projektierer nicht verändern.
Information zu den eingeforderten Angaben:
- Typ und Hersteller der Messmittel: Leosphere Windcube v2 mit FCR
- Genauigkeit der LIDAR Messinstrumente: Mit der von Windmessmasten gleichzusetzen (TR6 rev 9)
- Report Kalibrierung der Messinstrumente vor und nach dem Start der Messkampagne:
- Okt-Dez 2013: Wartung des Gerätes und Kalibrierung mit anderem Lidar -> Ergebnis OK
- Apr-Aug 2014: Messung Kirnberg
- Feb-Apr 2015: Wartung des Gerätes und Kalibrierung mit anderem Lidar -> Ergebnis OK
- Apr-Mai 2015: Verifikationstest (laut TR6 rev09 mindestens alle zwei Jahre)
- Report zu durchgeführten Kontrollen während der Messperiode: Tägliche Kontrolle per Fernüberwachung, Standortkontrolle monatlich.
Angaben zu den bemängelten Punkten:
1–3
Die Messung am Kirnberg erfolgte mit Lidar für 4 Monate (April bis August 2014). Die mittlere Windgeschwindigkeit in diesem (normalerweise relativ windarmen) Zeitraum lag bei 5,06 m/s auf 140 m am Mess-Standort des Lidars. Daraus ergibt sich unter Hinzuziehung der Jahresdaten (!) vom Schienerberg eine mittlere Jahres-Windgeschwindigkeit von 5,5 m/s am Mess-Standort. Da sich der Mess-Standort des Lidar unterhalb der geplanten Anlagenstandorte befand, ergibt sich für diese eine mittlere Jahres-Windgeschwindigkeit von 5,7 m/s, 5,8 m/s und 5,9 m/s.
4
Da die Windgeschwindigkeiten korrekt ermittelt wurden, sind auch die darauf basierenden Stromerträge und Stromeinnahmen passend.
5
Die Autoren des Faktenchecks versuchen eine Hochrechnung, welche auf der Grundlage der genannten Zahlen von TransnetBW bzw. IWR-Index schlicht unmöglich ist. Der IWR-Index ist ein Ertragsindex. Hier werden Monatsmittelwerte von Energieerträgen analysiert. Es lassen sich daraus weder Windgeschwindigkeiten auf ein Hundertstel-m/s genau noch Windrichtungsverteilungen ableiten.
Siehe auch http://www.iwr.de/wind/wind/windindex/index.html
„Der IWR-Windertragsindex für Regionen wird aus den tatsächlichen Energieerträgen von Anlagen & Windparks berechnet, die an unterschiedlichen Standorten in der jeweiligen Region verteilt stehen. Ein solcher regionaler Windindex, d.h. ein Index, der für einen ganzen Landschaftsraum gilt, kann wie der DAX als Leitindex an der Börse lediglich als eine Art Orientierungshilfe (!) dienen.“
Die erhöhte Entfernung des Messmasten am Schiener Berg zum Windpark Kirnberg ist im Windgutachten in der von der TR6 rev9 vorgeschriebenen Form als Unsicherheit (nicht mit geringerer Gewichtung) mit angegeben.
Der Gutachter von geo-net hat bestätigt, dass in der TR6 rev9 keine zwei repräsentative Quellen zwingend gefordert werden. Sollte „nur“ eine Lidarmessung mit Verifikationstest vorliegen, so ist dies keine kritische Abweichung von der TR6 rev9. Nur die Unsicherheit im Gutachten ist letztendlich höher, als wenn zwei unabhängige und repräsentative Quellen einfließen. Alle eingesetzten Geräte verfügen über einen Verifikationstest.
Die DWD-Wetterdaten wurden aus dem Grund nicht verwendet, dass der Standort Konstanz keine für den Standort Kirnberg repräsentativen Anströmungsverhältnisse aufweist. Das Alter der Daten vom Standort Neuhausen spielt keine Rolle, entscheidend ist die Übertragbarkeit auf den Kirnberg sowie der langjährige Messzeitraum von 10 Jahren.
Zu den Reanalyse Daten: Verwendet wurden MERRA sowie der BDB-Index.
Zum Parkwirkungsgrad: Für das erste Gutachten wurde eine Anlage auf dem Kirnberg, eine auf dem Rossberg und eine am Waldrand vom Schlosshalden berechnet. Diese Anlagen haben Abstände von 1,0 und 1,5 km untereinander und beeinträchtigen sich so gegenseitig nicht. Die 99,9 % stammen vom Gutachter und sind plausibel.
Zum Referenzertrag: Eine starre Festlegung auf einen definierten Referenzertrag wird den individuellen Verhältnissen der einzelnen Standorte nicht gerecht. Die Ergebnisse der Messkampagne sind zwar zentrale
Basis der Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen, jedoch basiert die Wirtschaftlichkeit eines Projektes nicht auf der Windhöffigkeit allein. Wichtig sind auch Kosten der Projektentwicklung, Pachtsätze, Anteil und Zinssätze des Fremdkapitals, Kosten für Geschäftsführung, Kosten für Zuwegung und Netzanbindung u.v.m.
Ein Windgutachten beurteilt die Windhöffigkeit eines Standortes, nicht die Wirtschaftlichkeit. Die Wirtschaftlichkeit ergibt sich aus den angestellten Gesamtberechnungen.
Da die Gutachten nach TR6 Rev.9 erstellt wurden, sind die notwendigen Abschläge bereits eingeflossen.
Selbstverständlich wurden für den neuen, jetzt geplanten Anlagentyp auch die Nachberechnung der Gutachten ausgeführt. Die Wirtschaftlichkeit verbessert sich durch den neuen Anlagentyp spürbar. Die Volllaststunden des neuen Anlagentyps liegen laut TÜV-Gutachten bei gut 2.000 pro Jahr.
Die IG Hegauwind hat einvernehmlich festgelegt, dass für mögliche Verluste durch Auflagen der BImSchG-Genehmigung, technische Ausfälle, Stillstand durch Eisansatz etc. ein pauschaler Sicherheitsabschlag erfolgt.
Richtig ist, dass die Windmessungen bzw. Stromerträge der Standorte Meßkirch, Leipferdingen, Bonndorf und aus der Schweiz nicht in die Bewertung der untersuchten Standorte im Landkreis Konstanz eingeflossen sind. Aufgrund der großen Distanzen dieser Standorte sowie des Alters der Anlagen wäre dies auch grob unwissenschaftlich. Die Forderung offenbart die fehlende Qualität der selbst ernannten Experten, verstößt sie doch gegen die selbst eingeforderten Qualitätsstandards.
Faktencheck 13:
Richtig ist, dass das im Juli 2014 beauftragte Gutachten für den Standort Kirnberg die Rev. 9 noch nicht berücksichtigen konnte, weil die Rev. 9 erst im September 2014 verabschiedet wurde. Es wurde demnach auf der zu diesem Zeitpunkt gültigen Grundlage erstellt (FGW TR 6 Rev. 8 vom 19.05.2011).
Die danach erstellten Gutachten berücksichtigen selbstverständlich die TR6 in der Rev. 9.
Die genannte Gutachternorm lässt ausdrücklich die alleinige Lidar-Messung zu, empfiehlt aber die Kombination aus Lidar-Messung und Mastmessung, wobei eine ausreichende Korrelation der beiden Datenquellen gefordert wird. Die der IG Hegauwind vorliegenden Gutachten bestätigen eine ausreichende Korrelation.
Das Gutachten bestätigt weiterhin „Die eingesetzten Geräte entsprechen in ihren Betriebsparametern vollständig den einschlägigen Normen und Richtlinien (IEC 61400-12-1 und FGW-Richtlinie TR6)“.
Faktencheck 14:
Die kommunalen Gremien haben ihre Entscheidungen auf Basis mehr als ausreichender inhaltlicher, wirtschaftlicher und rechtlicher Grundlagen getroffen. Darüber hinaus gehende Gutachten sind nicht notwendig.
Der Hinweis auf mögliche rechtliche Verstöße der Landesregierung ist eine verschwörungstheoretische Höchstleistung.
Faktencheck 15:
Da die TR6 rev9 eingehalten wurde, war ein spezieller Hinweis dazu nicht nötig.
Richtig ist, dass Schwachwindanlagen als Reaktion auf die besondere Situation der Windkraftstandorte im Binnenland entwickelt wurden. Größere Nabenhöhen und größere Rotordurchmesser erlauben eine attraktive Windernte auch bei niedrigeren mittleren Windgeschwindigkeiten. Diese Anlagen sind seit erst etwa drei Jahren verfügbar, liefern am gleichen Standort deutlich mehr Strom als ihre Vorläufer und sind in der Investition teurer. Entscheidend ist das Verhältnis von Mehrertrag zu Mehrkosten. Insoweit sind die Vollaststunden nur für sich genommen zwar kein absolutes Kriterium, aber durchaus ein guter Richtwert für die Wirtschaftlichkeit. Um die 2.000 Stunden sollten es tatsächlich sein.
Faktencheck 16 und 17:
Es ist richtig, dass die beiden vorliegenden Gutachten einen Windertrag von gut 20 Mio kWh prognostizieren. Es ist richtig, dass dies dem privaten Jahresstrombedarf von rund 20.000 Menschen entspricht. (Bei einem Durchschnittsverbrauch eines 3-Personen-Haushalts von rund 3.500 kWh.)
Es ist richtig, dass dies eine bilanzielle Betrachtung ist.
Es ist richtig, dass die Energiewirtschaft auch schon vor dem Zeitalter der erneuerbaren Energien die Aufgabe hatte, eine schwankende Nachfrage mit dem Angebot in Einklang zu bringen. In der „alten“ Energiewelt gab es dazu Grund-, Mittellast- und Spitzenlastkraftwerke.
In der „neuen“ Energiewelt ist die Aufgabe ähnlich, nur kommen jetzt auf der Angebotsseite ebenfalls schwankende Erzeugerkapazitäten hinzu, welche sich auf der Grundlage von Wetterprognosen (Wind und Sonne) im Voraus planen lassen, ohnehin in Grundlast betrieben werden (Wasserkraft, Geothermie) oder sogar grundlast- und spitzenlastfähig sind (Bioenergie).
Faktencheck 18:
Es ist unwahr, dass die Wasserkraftwerke am Hochrhein wegen des bisher zu vernachlässigenden Anzahl von Windkraftanlagen in BW abgeregelt würden. Richtig ist, dass die Betreiber der Wasserkraftwerke auf die Situation in den Netzen und an der Strombörse reagieren.
Faktencheck 20:
Falsch ist, dass die bestehenden Kohlekraftwerke im Stotterbetrieb laufen. Vielmehr werden trotz erheblicher Überschüsse bei den ständig wachsenden regenerativen Energien die Kohlekraftwerke nicht abgeregelt, sondern zusätzlich betrieben. Daraus resultierte 2015 der bisher höchste Exportüberschuss in der deutschen Stromhandelsbilanz, rund 60 TWh.
Notwendig sind keine Schattenkraftwerke, sondern ein sinnvoller Mix der verschiedenen regenerativen Erzeugungstechnologien sowie die Fortentwicklung der Steuerungsmöglichkeiten auf Nachfrageseite (demandsite-management, Power-to-gas sowie Power-to-heat).
Die Argumentation der BIs verweigert sich den realen Handlungsoptionen und läuft auf eine gesellschaftlich nicht gewünschte Option hinaus: Weiter so mit Kohle und Atom. Diese Strategie ist vielleicht persönlich nachvollziehbar, wenn man Windkraft in seiner Region ablehnt, aber gesellschaftlich unverantwortlich.
Faktencheck 21:
Es ist richtig, dass auch innerhalb der Natur- und Umweltschutzverbände das Thema Windkraft, insbesondere Windkraft im Wald uneinheitlich diskutiert wird. Es ist weiterhin richtig, dass sich sowohl der BUND-Kreisvorsitzende Eberhard Koch als auch der Regionalgeschäftsführer des NABU Thomas Körner klar für den Bau von Windkraftanlagen im Hegau ausgesprochen haben. Sie stehen dabei in keinerlei wirtschaftlicher Verbindung zur IG Hegauwind sondern begründen ihre Position mit dem Beitrag zum dringend notwendigen Klimaschutz. Die Diskussion zwischen den Naturschutzverbänden und solarcomplex über geeignete Standorte für Windparks in der Region wird bereits seit 2003 intensiv geführt.
Es ist weiterhin richtig, dass die Bürgerinitiativen als St. Florians-Initiativen bezeichnet wurden, welche der dringend notwendigen Energiewende im Land schaden und lediglich persönliche Einzelinteressen verfolgen.
Der sogenannte Teufelskreis ist eingebildet.
Die Geschäftsführer der an der IG Hegauwind beteiligten Stadt- und Gemeindewerke sowie Bürgerunternehmen haben sich in einem langen und aufwändigen Prozess eine fundierte Meinung zu den untersuchten potentiellen Windkraftstandorten gebildet. Dies geschah auf der Grundlage von Windmessungen und Gutachten, welche sehr wohl den – zu Recht geforderten – Standards entsprechen. Es gibt keinen Grund, die getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen. Auch die Region Hegau-Bodensee soll einen Beitrag zur klimafreundlichen Stromerzeugung aus Windkraft leisten und sie tut dies an technisch und wirtschaftlich geeigneten Standorten.